Was ist Sicherheit überhaupt?

Bindung Polyvagal Theorie Coaching Schweiz

In der polyvagal-informierten Coaching-Arbeit geht es um die Suche nach Sicherheit. Unser autonomes Nervensystem agiert in jeder Sekunde unseres Lebens im Sinne der Sicherheit. Dabei wiegt gefühlte Sicherheit oft sogar stärker, als reale Sicherheit. Aber was genau ist denn Sicherheit überhaupt und wie erkennt das Nervensystem, ob es sicher ist?

Atem, Verdauung, Herzschlag

Das autonome Nervensystem sorgt dafür, dass wir nicht bewusst über die Atmung, unsere Verdauung oder unseren Herzschlag nachdenken müssen. Es steuert all diese Prozesse ganz ohne, dass wir uns darauf konzentrieren.  Man könnte sogar sagen, das autonome Nervensystem ist eine Art Superheld(-in). Denn es sorgt im Grunde genommen in jeder Sekunde unseres Lebens dafür, dass wir überleben. 

Die unbewusste Suche nach Sicherheit

Ein Grundsatz der Polyvagal-Theorie (auf der mein Coaching-Ansatz Neurogespür™ basiert): Unser autonomes Nervensystem sucht nach Sicherheit; immer.

Dafür nutzt es die so genannte Neurozeption. Man könnte das als eine Art Radar beschreiben, mit dem unser autonomes Nervensystem alles um sich herum, aber auch in unserem Körper scannt und beurteilt, ob uns gerade eine Gefahr droht, oder nicht.

Gefahren sind ganz offensichtliche Dinge, wie Verletzungen, wenn ein Auto auf uns zurast oder wir dringend etwas essen müssen. Es geht dem autonomen Nervensystem also darum, dass unser Körper unversehrt ist und wir keine Schmerzen haben.

Fühlen wir uns sicher, arbeitet der ventrale Vagus

Geht es uns gut, «fühlt» sich unser autonomes Nervensystem sicher. Dann arbeitet der Vagusnerv, von dem du vielleicht schon gehört hast, besonders gut. Wobei eigentlich vor allem ein Ast dieses Nervs, der vordere, ventrale Vagusnerv.

Für uns bedeutet das, dass wir uns wohl fühlen. Unser Herzschlag und unsere Atmung sind regelmässig, unser Körper ist entspannt und wir haben ein Gefühl von «ich kann das und bin fein mit mir und der Welt». Und wir sind offen für andere Menschen.

Ich bin allein = ich bin in Gefahr!

Neben der körperlichen Sicherheit, die ich in meiner Coaching-Arbeit gern «Food» nenne, gibt es aber noch etwas anderes, was sehr wichtig dafür ist, ob unser autonomes Nervensystem sich sicher fühlt:

Bindung. 

Wenn wir Ablehnung erfahren, ausgestossen werden, den Blickkontakt verlieren oder in ein unfreundliches Gesicht sehen, kann der Radar des autonomen Nervensystems das als Gefahr interpretieren.

Das macht Sinn, denn der Mensch ist ein hochsoziales Lebewesen. Ein Baby ist darauf angewiesen, dass es von einer sicheren Bindungsperson versorgt wird: Es kann nicht ohne Bindung überleben. Diese Tatsache ist tief in unseren Körper eingebaut – auch, wenn wir erwachen sind.

Einfach ausgedrückt: «Ich bin allein → ich bin in Gefahr!»

Ablehnung bedeutet Gefahr

Das autonome Nervensystem interpretiert mit seinem unbewussten Radar, der Neurozeption, nicht nur, ob wir körperlich sicher sind. Auch der Blick, die Stimme, das Verhalten unserer Mitmenschen wird konstant gescannt und danach beurteilt, ob hier sichere Bindung möglich ist.

Deshalb spüren wir Ablehnung, Einsamkeit und Konflikte nicht nur sprichwörtlich sondern real auf körperlicher Ebene.

Denn wenn keine sichere Bindung verfügbar ist, löst sich der vordere, ventrale Ast des Vagusnervs, der als so genannte Vagusbremse unseren Herzschlag reguliert:

  • Das Herz schlägt schneller
  • Die Muskulatur spannt sich an
  • Wir fühlen uns unter Druck
  • Wir werden misstrauisch
  • Wir sind in Gefahr
Sicherheit = «Love» und «Food»

Ich nenne Bindung in meiner Coaching-Arbeit meistens «Love». Sicherheit bedeutet für unser autonomes Nervensystem dass «Love» und «Food» sichergestellt sind.

Fehlende Bindung wird von unserem autonomen Nervensystem als Gefahr interpretiert, selbst wenn keine körperliche Bedrohung vorliegt.

Ebene Beschreibung Biologischer Zweck
🩺 Physische Sicherheit (Food) Keine unmittelbare Bedrohung für den Körper (z. B. Schmerz, Verletzung, Hunger, extreme Kälte, Gewalt). Überleben des Organismus.
🤝 Soziale Sicherheit (Love) Erleben von Nähe, Zugehörigkeit, Vertrauen und gegenseitiger Regulation. Ko-Regulation, Bindung, Lernen, «Heilung»

 

Summary

Das autonome Nervensystem beurteilt über die unbewusste Neurozeption in jeder Sekunde, ob wir sicher sind. Dabei hängt Sicherheit massgeblich davon ab, ob wir körperlich in Sicherheit sind und sichere Bindung verfügbar ist.

Erfahren wir zum Beispiel Ablehnung, Vernachlässigung oder Isolation, sind wir körperlich zwar sicher, aber das autonome Nervensystem erlebt eine Neurozeption von Gefahr.

Deshalb tun wir unbewusst viele Dinge, um Bindung aufrecht zu erhalten. Das kann unter anderem auch bedeuten, dass eine Reaktion auf eine körperliche Bedrohung unterdrückt wird, um Bindung aufrecht zu erhalten. Dazu ein andermal mehr.

Disclaimer: Im Sinne der Verständlichkeit, werden komplexe anatomische Zusammenhänge bewusst für ein Coaching-Publikum vereinfacht dargestellt. Zum Beispiel arbeitet das autonome Nervensystem natürlich nicht allein, sondern in einem komplexen Zusammenspiel.

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Gisèle Ladner polyvagal-informierte Coachin in St.Gallen

Mein Name ist Gisèle Ladner. Ich habe meine Coaching-Praxis in St.Gallen vor rund vier Jahren gegründet. Ich bin zweifach polyvagal-informiert zertifiziert und liebe die Arbeit mit dem autonomen Nervensystem.

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